Politisches Nachtgebet
Die Veranstaltungsreihe "Politisches Nachtgebet" findet mehrmals im Jahr in unserer Kirche statt. Hier finden Sie die Berichte zu den Veranstaltungen im aktuellen Kalenderjahr.
Ältere Veranstaltungen sind hier archiviert: 2025 2024 2023 2022
„Ich würde wieder mitmachen“
Klaus Kuhn sprach beim Politischen Nachtgebet im Juni
über den „Bürgerrat Friedensstadt Dresden“
3000 Menschen in Dresden wurden angeschrieben. 180 antworteten, 50 wurden schließlich ausgesucht - eine möglichst vielfältige, zufällige Zusammensetzung. So entstand im Frühjahr der „Bürgerrat Friedensstadt Dresden“, eine Initiative der Stiftung Frauenkirche. Einer dieser Bürgerräte war Klaus Kuhn, Jahrgang 1953, aus Loschwitz - im Juni kam er zum Politischen Nachtgebet in unsere Kirche, um darüber zu erzählen unter dem Thema „Bürgerräte - Demokratie auf Augenhöhe“.
Denn das war das Ziel: Am Ende der Politik Empfehlungen geben zu können für eine friedliche Stadtgesellschaft. Dafür trafen sich die 50 Teilnehmer an zwei Wochenenden in der Unterkirche der Frauenkirche und bei einer online-Sitzung. Sie diskutierten, begleitet von erfahrenen Moderatoren und einer Reihe von Vorträgen, mehrere Konfliktfelder: „Gefährdung des Demokratischen Miteinanders“, „Diskriminierung“, „Unfreundlichkeit und fehlende Rücksichtnahme“, „Gewalt und Bedrohung im öffentlichen Raum“, „Gruppen- und Interessenkonflikte“. Dabei ergab sich eine erstaunliche Bandbreite, die von Erfahrungen aus der Kriegs- und Nachkriegszeit reichte bis hin zu Pegida und Afd, zum Dresdner Gedenken an den 13. Februar, oder auch einfach nur zu Auseinandersetzungen bzw. einem Interessenausgleich zwischen Rad- und Autofahrern.
Klaus Kuhn berichtete über die Treffen und hielt eine reflektierte und durchaus nicht unkritische Rückschau auf die Zusammentreffen. „Es gab sehr viel, manchmal zu viel Konsens in den Arbeitsgruppen, sehr viel Harmonie“, stellte er fest. „Da war eine freundliche, gelöste Atmosphäre.“ Das entspreche sicher nicht der täglichen Wirklichkeit. Aber es sei ein Beispiel „für gelebte Demokratie, für Demokratie vor Ort“.
Nun kann man davon ausgehen, dass wer sich für so ein Projekt meldet, ohnehin Interesse an der Politik hat. Aber das war nicht unbedingt der Fall. Kuhn erinnerte sich, dass einige Leute erklärten, wäre die Initiative nicht von der Frauenkirche ausgegangen, hätten sie nicht mitgemacht. Und eine Frau sagte ganz offen, ihr gehe es finanziell so schlecht, sie habe es wegen der Aufwandsentschädigung getan. Sehr unterschiedliche Motive. Man habe aber Leuten einen Weg geebnet, sich mit Politik zu beschäftigen: „Endlich hört mal jemand zu, was ich sage.“
Die Teilnehmer jedenfalls waren von dem Format sehr angetan. Zu sehen, dass man in einer größeren Gruppe zu Ergebnissen kommen, dass man sich einigen konnte - gerade auch in einer doch oft streitlustigen Stadt. „Ich würde mich freuen, wenn es so etwas wieder gäbe“, resümierte Klaus Kuhn. „Ich würde wieder mitmachen.“
Am Ende entstand eine 60-seitige Broschüre, die das Projekt beschrieb, die Empfehlungen zusammenfasste und der Stadt übergeben wurde. Im Vorwort hatte OB Dirk Hilbert den Teilnehmern immerhin gedankt für ihren Einsatz. „Wichtig wäre mir, dass wir eine Rückmeldung kriegen für unsere Vorschlage“, sagte Klaus Kuhn - und sprach da sicher für alle 50 Bürgerräte. In einem Jahr soll nochmal nachgefragt werden, ob und was die Stadt tatsächlich umgesetzt hat.
Nach dem Verhältnis von Untertan zu Obrigkeit in der Bibel fragte in seinen einleitenden Worten unser Pfarrer Beyer. Da gibt es die die oft zitierte Stelle im Römerbrief, Kapitel 13: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit… Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott.“ Oder im ersten Buch Mose: „Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan.“ Zwei Stellen, die der Deutung bedürfen. Und Pfarrer Beyer deutete sie mit der darin enthaltenen Verantwortung: Es geht bei Moses nicht ums Beherrschen, sondern darum, die Schöpfung zu bewahren und zu pflegen. Und für den Römerbrief prägte er den schönen Begriff vom „Obertan“, der eigentlich Diener seines Volkes zu sein habe, also nach dessen Besten streben müsse. Da kann ein Bürgerrat durchaus hilfreich sein.
Peter Setzmann am Flügel ließ es dieses Mal international angehen. Zum Auftakt ein Klavierstück des Südkoreaners Yiruma, nach dem Vortrag/vor der Diskussion das Thema aus dem Film „The Rose“ (USA) und am Ende ein Bossa Nova von Antonio Carlos Jobim aus Brasilien. Den Rat diskussionsbereiter Bürger kann man eben überall in der Welt gebrauchen. Und so lautete auch bei unserem Politischen Nachtgebet eine Empfehlung, Bürgerräte stärker einzubeziehen - nicht zuletzt als ein Mittel gegen die Polarisierung in der Gesellschaft.
Bernd Hempelmann, Foto: Karla Tolksdorf-Hempelmann