Politisches Nachtgebet
Die Veranstaltungsreihe "Politisches Nachtgebet" findet mehrmals im Jahr in unserer Kirche statt. Hier finden Sie die Berichte zu den Veranstaltungen im aktuellen Kalenderjahr.
Ältere Veranstaltungen sind hier archiviert: 2024 2023 2022
Gemeinsinn, Verständigung, Toleranz
Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch beim Politischen Nachtgebet im Februar
In welcher Kultur wollen wir leben? Welche Kultur brauchen wir in der Stadt? Ja, ist uns Kultur überhaupt (noch) wichtig? Und was wollen wir letzten Endes unter Kultur verstehen? Es gibt viele Ansatzpunkte, von denen aus man sich „der Kultur“ nähern kann. Als Annekatrin Klepsch, Linken-Politikerin und seit neun Jahren in Dresden als Bürgermeisterin für die Kultur zuständig, im Februar zum Politischen Nachgebet in unsere Kirche kam, sah sie sich einer großen Aufgabe gegenüber: Welche Rolle spielt Kultur in unserer Gegenwart und in einer Stadtgesellschaft? „Stoff für eine ganze Vortragsreihe“, fand die Bürgermeisterin, sie werde „nur gedankliche Impulse setzen“ können.
Das tat sie mit einem klaren Bekenntnis zur Bedeutung der Kultur - gerade in der heutigen aufgereizten Zeit. „Kultur und Kunst haben die Chance, Menschen zusammenzubringen, bestenfalls auch Menschen unterschiedlicher Herkunft, Sozialisation, religiösen und politischen Glaubens“, sagte sie. Und sie seien „besonders dann wichtig, wenn andere Orte und Institutionen nur noch ein eingeschränktes Vertrauen genießen oder in weiten Teilen der Bevölkerung gar nicht mehr besucht oder genutzt werden“. Gerade kulturelle Orte in der Stadt seien „Orte der Öffentlichkeit, des nicht kommerzgetriebenen Austauschs und der Verständigung“.
Als gelungenes Beispiel nannte sie den Kulturpalast mitten im Zentrum - mit der Zentralbibliothek und der Dresdner Philharmonie. „Ich nenne es gern unser Wohnzimmer der Stadt“. Städte, Gemeinden und Länder hätten die Aufgabe, Kultur und deren Institutionen einschließlich dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu stärken und zu stabilisieren. Das schließe Wandel und Anpassung, Öffnung und Transformation der Institutionen unbedingt ein. Und es bedeute „ebenso Diskurs, Versuch und Irrtum, Verzicht und Gewinn“, aber es gehe „um Gemeinwesen und Gemeinsinn, um Verständigung und Toleranz“. Gerade in Zeiten des Internets und der so genannten sozialen Medien gebe es „einerseits eine Egalisierung des Meinungsaustauschs und der Meinungsbildung“, andererseits hätten sie über eine „Desorientierung in der Informationsflut, einen kommunikativen Overkill“ zu einer starken politischen Polarisierung, einer „kollektiven Gereiztheit“ geführt.
Begonnen hatte Annekatrin Klepsch ihren Vortrag mit einem eindrucksvollen Blick auf Dresden. Es gebe wohl „wenige Städte vergleichbarer Größe und Einwohnerzahl in Deutschland, die so ein vielfältiges kulturelles Erbe haben“: zwei Spitzenorchester, eine Staatsoper und ein städtisches Musiktheater mit Ballett, das tjg als bundesweit größtes Kinder- und Jugendtheater, Staatsschauspiel, Festspielhaus Hellerau, die Musikfestspiele, Heinrich-Schütz-Konservatorium, Kreuzchor und zwei weitere Knabenchöre, dazu zahlreiche gemischte, mehr als 50 Museen… ihre Liste ging noch lange weiter.
Pfarrer Beyer fand bei der Begrüßung durchaus „christliche Begriffe wie die - in der Gottesebenbildlichkeit begründete - allgemeine Menschenwürde, die Nächstenliebe“ im Kulturbegriff wieder. Er stellte ihm den Gegenbegriff gegenüber - die Natur. Und kam zur biblischen Frage, ob „der Mensch von Natur aus gut ist oder durch die ,Kultur’ der Sünde verderbt“ oder ob er sozusagen von Natur aus sündig, also schlecht sei. Muss eine christliche Kultur also „die falsche Natur des Menschen korrigieren oder eine falsche Kultur (der Sünde) überschreiben“? Wie Natur und Kultur könnten in der Welt ebenso verschiedene Kulturen in Konkurrenz zueinander stehen… Sollte man die nicht nebeneinander dulden oder gar ermöglichen? „Schwierige Fragen“, resümierte er selbst.
Angesichts des kulturellen Schwerpunkts des Abends hatte Peter Setzmann am Flügel sich für Jazz entschieden. Mit Thomas Wallers „Honeysuckle Rose“ ließ er den Abend einschwingen, mittendrin wurde es, wieder mit „Fats“ Waller, ruhiger: „Black and Blue“. Zum Schluss dann schickte er uns mit Tempo und Charlie Parkers „A Night in Tunisia“ auf den Heimweg.
Text und Foto: Bernd Hempelmann
Was tun gegen die Erdüberlastung?
Prof. Edeltraud Günther im Politischen Nachtgebet im Januar
Wie viele Erden braucht der Mensch? Zu diesem Thema war Frau Prof. Edeltraud Günther im Januar in unserer Kirche zu Gast. Sie lehrt an der TU Dresden betriebliche Umweltökonomie und ist Direktorin eines Institutes für Ressourcenmanagement der UNO-Universität.
In ihrem Vortrag nahm sie die einführenden Gedanken von Pfarrer Beyer zum göttlichen Auftrag in der Schöpfungsgeschichte, die Erde zu bebauen und zu bewahren, auf. Sie vermittelte dann einen eindrucksvollen Überblick über die Belastungsgrenzen der Erde. In vielen Bereichen der Nutzung der globalen Ressourcen sind diese bereits weit überschritten. Der sogenannte Erdüberlastungstag rückt immer weiter im Jahr nach vorn. Deutschland kommt bereits am 3. Mai in die roten Zahlen. Wenn alle so wirtschafteten würden wie wir, brauchte es drei Erden.
Der globale Fußabdruck der Menschheit wird durch die Zahl der Menschen, ihrer Güterausstattung und die technologische Effizienz der Ressourcennutzung bestimmt. Das Wachstum der Weltbevölkerung geht langsam zurück. Der Bedarf jedoch steigt. Diesem widmete die Referentin sehr anregende Überlegungen zu möglichen Einschränkungen: darunter Begrenzung von Siedlungs- und Wohnfläche, Entlastung der Kleiderschränke durch mehr Fantasie bei begrenzter Kleiderausstattung, gesunde und maßhaltende Ernährung, Verringerung von Klimagasen und anderen umwelt- und gesundheitsbelastenden Emissionen, Einsparungen und technologische Fortschritte bei dem Verbrauch von Ressourcen für unsere Gebrauchsgüter, beim Bauen und im Verkehr. Eine Entkopplung des menschlichen Wohlergehens von materiellem Wachstum bei Achtung globaler Gerechtigkeit ist geboten.
Die Referentin schloss ihren Vortrag mit der Jahreslosung: Prüft alles und behaltet das Gute. Zu diesem Guten gehörte wieder die Musik von Peter Setzmann. In einem anschließenden Gespräch im Gemeindesaal hatten wir die Gelegenheit, weitere Fragen zu stellen. Wir waren Frau Edeltraud Günther dankbar für die offene, sachliche und anregende Diskussion.
Klaus Gaber